Niedergang der AfD in Darmstadt

Erst im Darmstädter Echo hochgeschrieben, dann abgestürzt

„Wenn es der AfD gelingt, mit einem populistischen Bewerber die Stimmen aller Unzufriedenen und Gefrusteten (auch aus der CDU) einzusammeln, könnte Siebel angesichts der politischen Großwetterlage für seine Partei sogar den zweiten Wahlgang verpassen“, schrieb das Darmstädter Echo am 11.6.2016.

Zahlreiche Aktivitäten gegen die AfD

Nun hat zwar Siebel die Stichwahl verpasst, aber der AfD-Kandidat Hans Mohrmann landete weit abgeschlagen auf dem 7. Platz. Der Wind hat sich in Darmstadt gedreht gegen die AfD.

Zur Erinnerung: bei den Kommunalwahlen im März letzten Jahres zog die AfD mit 9,2% als viertstärkste Partei in das Stadtparlament ein. Dort versuchte sie ihr Thema „Flüchtlinge“ hoch zu ziehen und machte mobil gegen die damals noch im Bau befindliche Flüchtlingsunterkunft am Sensfelder Weg. Die übrigen Parteien im Stadtparlament hatten erst Mühe, auf die Provokationen der AfD nicht hereinzufallen, bekamen es aber dann ganz gut hin. So lief z. B. der Antrag auf ein vorsorgliches“ Burkaverbot (es wurde selbst nach Aussage der AfD bisher keine in Darmstadt gesichtet) ins Leere. Die AfD kündigte am Sensfelder Weg Infostände an, verteilte Flugblätter und hetzte in der ihrer eigenen fiesen Art gegen Flüchtlinge und AsylbewerberInnen. Doch sofort gab es Gegenaktionen an den Infoständen, Flugblätter mit Informationen zur Flüchtlingssituation. Die AfD’ler konnten bei öffentlichen Diskussionen keinen Stich machen. Die Sprechstunden der AfD, in provozierender Weise im Justus-Liebig-Haus abgehalten, wurde ebenfalls von Gegendemonstranten besucht und von einer entsprechenden Öffentlichkeitsarbeit begleitet.

Hans Mohrmann wurde als AfD-Kandidat aufgestellt und sogleich als populistischer Shootingstar gehandelt (s. obiges Zitat des Darmstädter Echo).Doch schnell wurden seine frauenfeindlichen Sprüche auf seiner Facebook-Seite entdeckt. Sie verbreiteten sich in Windeseile im Netz, dann auch in den örtlichen Medien. Mohrmann ruderte zurück, und dann vor, es sei ja alles ironisch gemeint und dann wieder quer. Gleichzeitig sprach sich die AfD im Stadtparlament, die ja vorgibt, die Interessen des „kleinen Mannes“ zu vertreten, gegen den Bau von Sozialwohnungen aus.

Die AfD konnte ihr Thema „Flüchtlinge“ nicht zu dem Hauptthema des Wahlkampfes machen

Aktionsbündnisse gegen Rechts, antifaschistische Gruppen und auch (Teile von) politischen Parteien hatten ein Netzwerk entwickelt, das über die „Sprüche“ der AfD auf dem Laufenden war und sich gegenseitig bei Aktionen unterstützte. Der Verlauf der Oberbürgermeister-Wahlen entwickelte sich in diesem Sinne positiv:

Die AfD konnte das Thema „Flüchtlinge“ im OB-Wahlkampf nicht setzen. Das ist und war keine Selbstverständlichkeit. In Aktionen und in der Gegenaufklärung wurde insbesondere die Frauenfeindlichkeit der AfD zum Thema, die Ablehnung des Baus von Sozialwohnungen und ihre Gegnerschaft zum Busfahrerstreik. Statt sich an dem von der AfD gewünschten Thema abzuarbeiten, waren nun deren frauenfeindliche und antisozialen Positionen das bestimmende Thema. Schlecht für ihren Kandidaten, der bei den Wahlen abstürzte.

Trotzdem: Abstiegsangst macht empfänglich für einfache Lösungen

Mohrmann bekam bei den OB-Wahlen 4,0 % – eine mehr als deutliche Schlappe. In sozialen Brennpunkten wie in Eberstadt-Süd und im Pallaswiesenviertel lag der Stimmenanteil des AfD-Kandidaten über 8 % (Wahlbezirke 1020, 1030 und 120). Das ist ein Absturz auf ein Drittel gegenüber der Kommunalwahl. Gleichzeitig waren es die Wahlbezirke mit der geringsten Wahlbeteiligung – im Pallaswiesenviertel betrug die Wahlbeteiligung gerade 16,2 % (in Darmstadt insgesamt 42,3%). Das Wahlergebnis ist keine Entwarnung, es zeigt nur deutlich , dass viele der sozial abgehängten Menschen kein Vertrauen mehr in die „Politik“ haben, die meisten gar nicht mehr wählen gehen oder dann aus Protest für die einfachen Lösungen stimmen. Immerhin konnte der AfD-Kandidat diese Stimmen nicht abgreifen, weil die antisozialen Positionen der AfD nun breiter bekannt gemacht wurden.

Natürlich hat sich mit ihrem Niedergang in Darmstadt das Problem AfD nicht gelöst. Wie bei den Kommunalwahlen sticht auch diesmal bei der OB-Wahl ins Auge, dass in einigen als eher „kleinbürgerlich“ zu bezeichnenden Wohnvierteln in Arheilgen und in Eberstadt oder in der Heimstättensiedlung die AfD überdurchschnittlich abschnitt und ihr Kandidat Mohrmann dort  teilweise über 6% bekam. Auch in diesen Wahlbezirken (440, 920 850) war die Wahlbeteiligung unterdurchschnittlich gering, aber immer noch knapp über 35 %. Neuere Untersuchungen (z. B. von O. Nachtwey) beschreiben das Phänomen einer Abstiegsgesellschaft, deren Lebenssituation zwar (noch) nicht prekär ist, die aber Angst vor einem sozialen Abstieg haben und die zum ersten Mal in der Geschichte der Bundesrepublik der Meinung sind, ihren Kindern werde es einmal schlechter gehen als ihnen. Die dadurch entstehende Statusangst macht empfänglich für einfache ausländer- und demokratiefeindliche Parolen.

Nachtrag

Wie jetzt zu erfahren war, ist die AfD Darmstadt heillos zerstritten. OB-Kandidat Mohrmann ist wegen interner Querelen am Wahltag aus der AfD ausgetreten. Angeblich soll er einem Parteiausschluss zuvor gekommen sein. Schon vor einigen Wochen trat in Darmstadt ein AfD-Stadtverordneter aus der Fraktion aus, und auch im Kreistag ist die Fraktion durch dem Abgang von Mohrmann nun um zwei Abgeordnete dezimiert.